"Super" ist in meinen Ohren nach wie vor super - mit kaum vorhandenem Skip-Potential wegen verkorkster Songs. Es geht in die Beine und macht gute Laune.
Dabei empfinde ich es in keiner Weise oberflächlich - trotz der teilweise sehr minimalistischen Lyrics.
Im Gegenteil: ich sehe nach und nach immer deutlicher ein Konzept, es wird für mich ein Album mit einem klaren inhaltlichen Bogen. Damit steht es in meinen Augen in einem expliziten Bezug zu "Please" - was möglicherweise 30 Jahre nach "Please" kein Zufall ist.
Zur Erinnerung - Neil charakterisierte den roten Faden von Please folgendermaßen: Sie fahrem im ersten Song fort (Two Divided by Zero), kommen in der Großstadt an (West End Girls), sie wollen Geld machen (Opportunities), verlieben sich (Love Comes Quickly), ziehen in die Vorstadt (Suburbia), gehen in Clubs aus (Tonight is Forever), es ist Gewalt in der Stadt (Violence) und flüchtiger Sex (I Want a Lover), irgendwer versucht sich einen Jungen zu angeln (Later Tonight) - und am Ende der finale Wunsch des Zusammenlebens (Why Don't We Live Together?).
"Please" ist sozusagen ein Gemälde der Jugend dieser Zeit - und im Grunde wird auf "Super" auch eine ähnliche Geschichte erzählt.
Diese wird mit einem Statement vornweg eingeleitet. Die Grundsehnsucht, um die sich alles dreht, die die Triebkraft des Wegfahrens aus "Two Divided..." ist, wird hier explizit benannt: Happiness - Glück. Passenderweise als Squaredance realisiert, untermalt dieses musikalische Mittel die Beschwerlichkeit, dahin zu kommen - es geht dabei auch immer mal auch einen Schritt zurück.
In "Pop Kids" kommen die Protagonisten ins Spiel - ausdrücklich textlich und musikalisch in den "early 90s" verortet. Die, die sich auf die Reise gemacht haben, die nun in der Großstadt angekommen sind.
In "Twenty Something" werden die Protagonisten ins Jetzt geholt. Musikalisch mit dem trendigen Reggaeton-Rhythmus und auch mit einigen textlichen Anspielungen ("take your smartphone..."). Inhaltlich dreht es sich in gewisser Analogie zu "Opportunities" um das sich in dieser Welt behaupten - auch finanziell ("Sometimes it’s hard, day to day, to pay your way").
Durch diesen Song wird das Ganze von einem Bild der 90er zu einem Gemälde der Generation der Mittzwanziger transformiert - egal zu welcher Zeit.
Und dann geht es mit "Groovy" auf die Piste, hinein ins Verlieben. Es geht ums Wohlfühlen, ums Cool-Sein. In gewisser Weise ein Statement wie in "Love Comes Quickly" - nur aktiver, was sich auch musikalisch ausdrückt.
Es folgt ein Bruch. Mit "The Dictator Decides" wird der Protagonist auf den Boden zurückgeholt, die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft dieser Zeit wird offenbart. Es wird eine sachliche Ebene eingeführt - wie auch in "Suburbia". Beides sind epische Songs (obwohl "Suburbia" erst in der späteren Überarbeitung dazu wurde).
Man kann das anschließende "Pazzo" doppeldeutig sehen: Sowohl der Diktator steht als der Verrückte da - aber auch der Protagonist, der sich mit diesem Drang nach Verrücktheit aus der Erkenntnis des vorherigen Songs wegbegibt in die Ablenkung des Alltags. Textlich passiert nicht viel außer diesem Statement - insofern ist es ein Analogon zur Reprise von "Opportunities".
Mit "Inner Sanctum" geht es in den Club - es wird euphorisch, so wie auch "Tonight is Forever" sich zu euphorischen Momenten aufschwingt.
Gesteigert wird das noch anschließend durch "Undertow", in dem die ersten Begegnungen thematisiert werden.
Die Euphorie wird mit "Sad Robot World" jäh unterbrochen - auf Please ist es "Violence", welches den nächsten nachdenklichen Teil liefert. Obwohl inspiriert durch wirkliche Roboter, ist es doch eine Allegorie auf die Moderne an sich, auf das Technische, das den Alltag durchdringt und das hinterfragt wird.
Am Ende wird der Gedanke aber beiseite gewischt, weil es ums Glück, um die Sehnsüchte, um Liebe geht - darum, jemand zu finden. Sowohl "Say it to me" als auch "I want a Lover" thematisieren das ganz klar.
Und im Erfolgsfall wird in "Burn" die Disko abgefackelt. Musikalisch ein Gegenstück zu "Later Tonight", aber die Intention ist die gleiche: mit einem Partner die Nacht verbringen.
Im letzten Stück geht es jeweils um das Zukünftige, um die Zeit nach der Party, die ernsthafte Fortführung der Beziehung. In "Why Don't We Live Together?" wird genau das thematisiert, "Into thin Air" führt den Gedanken weiter zum Existenziellen hin - und spannt damit den Bogen zum Mittzwanziger aus den "early 90s", der sich jetzt auch philosphischere Fragen um die Zeit danach stellt.
So fügt sich also alles irgendwie schlüssig zu einem Ganzen.
In diesem Gesamtkontext ergeben für mich die musikalischen Gestaltungen einen vollständigen Sinn und haben auch die teilweise verwendeten kurzen statmentartigen Texte ihre Berechtigung.
Alles in allem - ein Super Album...
Werner hat geschrieben:Also... Vorübergehende Wertung:
Happiness: 10/10 (Stampfer)
The Pop Kids: 7/10 (solide)
Twenty-Something: 10/10 (originell)
Groovy: 9/10 (daft-punkig)
The Dictator Decides: 10/10 (emotional)
Pazzo!: 8/10 (Italo)
Inner Sanctum: 10/10 (extatisch)
Undertow: 9/10 (Disco)
Sad Robot World: 8/10 (melancholisch)
Say It To Me: 7/10 (housig)
Burn: 11/10 (HAMMER)
Into Thin Air: 6/10 (durchschnittlich)
Erstes Fazit: Super tanziges, durchgehend tolles, textlich beinahe minimalistisches Album mit zahlreichen Wohlfühl-Momenten